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Antonio Vivaldi - ‚L’Estro Armonico’

12 Konzerte op.3 für 1, 2 & 4 Violinen, Solocello, Streicher und B.c.

Projektarbeit mit 14 Schülerinnen und Schülern einer Kammermusikklasse

Vortrag, gehalten beim nationalen Kongress der
European String Teachers Association (ESTA) im Oktober 2019
Veröffentlicht in den ESTA Nachrichten im März 2020

Ich möchte Ihnen ein interessantes Unterrichtsprojekt aus meiner Kammermusikklasse vorstellen, nämlich eine Gesamtaufführung der
12 Konzerte op.3, die Antonio Vivaldi für seine Geigenschülerinnen im Waisenhaus ‚Ospedale della Pieta’ in Venedig geschrieben und im Jahr 1711 unter dem Titel ‚L’Estro Armonico’ in Amsterdam veröffentlicht hat.

Zunächst einige biographische Daten:
Antonio Vivaldi wurde 1678 als Ältester von neun Kindern einer armen Familie in Venedig geboren. Sein Vater war Barbier, spielte aber auch Geige und war Mitglied im Orchester an der Kirche San Marco in Venedig. Antonio erhielt seinen ersten Geigenunterricht von seinem Vater. Schon als Junge wurde er auf ein Priesterseminar geschickt, auch, um eine breitere musikalische Ausbildung bekommen zu können. Eigentlich sollte er Priester an der Kirche Santa Maria della Pietà in Venedig werden – aber da er wegen seines Asthmas die Messe nicht lesen konnte, wurde er 1703 (mit 25 Jahren) dieses Amtes enthoben. Stattdessen wurde er im selben Jahr der selben Kirche als ‚Maestro di Violino’ d.h. als Geigenlehrer angestellt. Der kleinen Kirche ‚Santa Maria della Pietà’ war ein Waisenhaus für Mädchen angegliedert – und hier unterrichtete Vivaldi von 1703 bis 1740, mit Unterbrechung mehrerer langer Auslandsaufenthalte.

Die musikalische Unterweisung der Mädchen im Waisenhaus ‚Ospedale della Pieta’ erfolgte nicht nur aus religiösen oder pädagogischen Erwägungen – sondern vor allem auch aus wirtschaftlichen Überlegungen: Die Musikdarbietungen an Samstagen, Sonn- und Feiertagen erwiesen sich nämlich als Quelle beträchtlicher Geldeinnahmen, die dann dem Waisenhaus und der Kirche zugute kamen. Natürlich bekamen nicht alle Mädchen des Waisenhauses eine musikalische Ausbildung, sondern nur diejenigen, die zum Chorsingen zugelassen waren. Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurde die Musikausbildung der Mädchen mehr und mehr verbessert und professionalisiert, so dass später nicht mehr ausschließlich nur Waisenkinder in das Ospedale aufgenommen wurden. Damit entwickelte sich das ursprüngliche Waisenhaus für Mädchen später in eine Art Musikseminar, eine Vorstufe zum Konservatorium.
Seinen Arbeitsvertrag als ‘Maestro di Violino’ erhielt Vivaldi immer nur für ein Jahr - und eine Verlängerung musste jährlich vom Verwaltungsrat der Kirche genehmigt werden. In seinem Arbeitsvertrag war auch die Verpflichtung enthalten, monatlich zwei Instrumentalkonzerte zu komponieren und zur Aufführung zu bringen. Bis heute sind etwa 450 Konzerte von Vivaldi für verschiedene Instrumente erhalten, darunter sind etwa 220 Violinkonzerte, die Vivaldi für sich und für seine Schülerinnen geschrieben hat. Er war einer der größten Violinvirtuosen seiner Zeit und seine Experimentierfreudigkeit hat zu vielen spieltechnischen Erneuerungen geführt, die das Violinspiel sehr erweitert haben.
1705 erschien sein op.1 (12 Triosonaten), 1709 folgte als op.2 eine Sammlung von 12 Violinsonaten, beide gedruckt in Venedig. 1711 erschien seine erste Sammlung von Konzerten, die er in den vergangenen Jahren geschrieben hatte, herausgegeben vom Amsterdamer Verleger Etienne Roger.

Es waren die 12 Konzerte op. 3 unter dem Titel ‚L’Estro Armonico’ - was in etwa bedeutet ‚Die harmonische Eingebung’ oder auch ‚Die harmonische Begabung’.

Die 12 Konzerte erschienen in 8 Einzelheften:

4 Violinstimmen (Violine 1 – 4),
2 Violastimmen (Viola 1 und 2),
Violoncello, sowie
eine bezifferte Bassstimme für das Continuo.

Die Konzerte op.3 wurden sehr rasch in ganz Europa bekannt und Vivaldi errang in kurzer Zeit den Ruf als führender Meister unter den italienischen Konzertkomponisten. Ebenso berühmt wurden auch die Konzertaufführungen, die Vivaldi mit seinen Schülerinnen in der Kirche ‚Santa Maria della Pieta’ gab – bei denen diese Mädchen nur verborgen hinter einem Vorhang auf der Empore der Kirche konzertieren durften.

Vivaldis op.3 ‚L’Estro Armonico’ war eine der einflussreichsten musikalischen Veröffentlichungen des 18. Jahrhunderts. Auch J.S. Bach schätzte die Kompositionen seines gleichaltrigen italienischen Kollegen Vivaldi außerordentlich, sodass er mehrere Konzerte aus diesem op. 3 für Orgel und für Cembalo solo bearbeitete und das Konzert für 4 Violinen, op.3 Nr.10 in eine Fassung für
4 Cembali und Streichorchester verwandelte.

Bis 1716 gab Vivaldi noch drei weitere Konzertzyklen heraus, nämlich die Konzerte op.4, op.6 und op.7, aber erst 1725 erreichte er mit der Herausgabe des Konzertzyklus op.8 einen ähnlichen Erfolg wie mit seinen Konzerten op.3 ‚L’Estro Armonico’. Die Konzerte Nr.1-4 dieses Zyklus’ op.8 sind die heute wohl berühmtesten Violinkonzerte Antonio Vivaldis – nämlich ‚Die Jahreszeiten (Le stagioni) Frühling, Sommer, Herbst und Winter.

Der Zyklus op.3 ‚L’Estro Armonico’ nimmt in seiner Besetzungsvielfalt eine besondere Stellung unter Vivaldis Konzertzyklen ein. Es sind nämlich nicht nur Konzerte für eine Solovioline (oder ein anderes Soloinstrument) sondern Vivaldi veröffentlichte in seinem op.3 Konzerte für 4 Soloviolinen, zum Teil auch mit Solocello, Konzerte für zwei Soloviolinen mit und ohne Solocello sowie Konzerte für eine Solovioline. Die Konzerte sind in vier Dreiergruppen symmetrisch angeordnet.
Eine paarweise Anordnung von Konzerten gab es schon bei Albinoni in seinem 1700 in Venedig erschienenen op.2 (6 Sinfonien und 6 Konzerte) und auch bei Torelli in seinem op.8, den 12 Concerti grossi, erschienen 1709. Das Neue an Vivaldis op.3 war die symmetrische Anordnung von drei verschiedenen Konzerttypen, d.h. sie sind innerhalb der Sammlung in vier Dreiergruppen symmetrisch angeordnet. Jede Gruppe enthält:

ein Konzert für 4 Soloviolinen (mit oder ohne Solocello),
ein Konzert für 2 Soloviolinen (mit oder ohne Solocello) sowie
ein Konzert für eine Solovioline

So ergibt sich folgende Gliederung:

Op. 3/1   4 Soloviolinen + Solocello D-Dur
Op. 3/2   2 Soloviolinen + Solocello g-Moll
Op. 3/3   1 Solovioline G-Dur

Op. 3/4   4 Soloviolinen e-Moll
Op. 3/5   2 Soloviolinen A-Dur
Op. 3/6   1 Solovioline a-Moll

Op. 3/7   4 Soloviolinen F-Dur
Op. 3/8   2 Soloviolinen a-Moll
Op. 3/9   1 Solovioline D-Dur

Op. 3/10   4 Soloviolinen + Solocello h-Moll
Op. 3/11   2 Soloviolinen + Solocello d-Moll
Op. 3/12   1 Solovioline E-Dur

Die Tonarten der Konzerte stehen immer abwechselnd in Dur und Moll, diese Reihenfolge ist nur in der letzten Gruppe verändert – wahrscheinlich weil der Zyklus mit einem Konzert in Dur enden sollte.

Nach Vivaldis Tod – 1741 in Wien – geriet seine Musik bald in Vergessenheit, da sie nicht mehr dem Zeitgeschmack entsprach. Erst fast 200 Jahre später, in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden in einem italienischen Kloster und in der Privatsammlung eines italienischen Grafen umfangreiche Sammlungen von handschriftlichen Partituren seiner Werke wiederentdeckt. Der eigentliche Durchbruch in der Wiedergewinnung der Musik Vivaldis für unser gegenwärtiges Musikleben vollzog sich jedoch erst 1947 mit der Gründung des ’Italienischen Institutes Antonio Vivaldi’. Im Ricordi Verlag wurde bis 1972 eine Gesamtausgabe der Instrumentalwerke Vivaldis herausgegeben – und damit begann die internationale Vivaldi-Renaissance. Eine Faksimile-Ausgabe der Erstausgabe von Roger ist 2015 im ‚Studio per Edizioni Scelte’ erschienen und hier z.B. über den Verlag Edition Walhall erhältlich.

Das Ensemble ‚Junge Streicher Gerresheim’

Die Kammermusikgruppe bestand aus 14 Streichern:
10 Geigen, von denen 5 auch Bratsche spielten, sowie 4 Celli. Leider gab es zu der Zeit keinen Kontrabass in der Gruppe.
In der Besetzung der Solostimmen wurde sowohl bei den Violinen als auch bei den Celli abgewechselt, ebenso wurde zwischen Violin- und Violastimmen gewechselt und der Continuopart von den Cellisten abwechselnd übernommen.
12 der 14 Streicher waren zu diesem Zeitpunkt Schüler meiner Kammermusikklasse (im Alter von 14 bis 19 Jahren), zwei weitere, ältere Mitwirkende waren Ehemalige, die vor mehr als 10 Jahren Geigen- und Bratschenunterricht bei mir hatten. Sie waren schon 2006 dabei gewesen, als wir das Projekt ‚L’Estro Armonico’ zum ersten Mal in der damaligen Kammermusikklasse verwirklicht haben.
Alle beteiligten Geigen- bzw. BratschenschülerInnen haben bei mir mit dem Geigenunterricht begonnen, und zwar nach dem von mir entwickelten Konzept ‚Gemeinsam von Anfang an’, d.h. alle hatten immer zweimal wöchentlich Unterrricht in kleinen oder großen Gruppen. Etwa vom 2. Unterrichtsjahr an hatte jede SchülerIn einmal wöchentlich Einzelunterricht und ein zweites Mal wöchentlich Unterricht im großen gemischten Ensemble, das immer bestehen blieb und in das jüngere Schüler nach und nach integriert wurden.
Die Celloschüler hatten ihren Einzelunterricht bei verschiedenen Kolleginnen, haben aber alle ebenso regelmäßig wie die Geigenschüler wöchentlich am Kammermusikunterricht im Ensemble teilgenommen.

Die Unterrichtsarbeit an Vivaldis Konzerten op.3

Vivaldis Violinkonzerte gehörten für mich immer zur Standardliteratur im Unterricht meiner Schüler. Die Violinkonzerte op.3/3 in G-Dur, op.3/6 in a-Moll, op.3/9 in D-Dur, das Konzert op.3/8 in a-Moll für 2 Violinen und natürlich das große Konzert op.3/11 in d-Moll für 2 Violinen und Violoncello – all diese Werke haben wir immer wieder mit wechselnden Solisten erarbeitet und im Streicherensemble aufgeführt. Auch die Konzerte für 4 Violinen hatten wir nach und nach in den vergangenen Jahren gemeinsam erarbeitet. Alle Solostimmen wurden im Einzelunterricht besprochen und einstudiert, es fanden Stimmenproben nach Bedarf statt und an Kammermusikwochenenden wurde das Zusammenspiel vertieft.
Der Gesamtaufführung des Zyklus ist also eine lange Vorbereitungszeit vorangegangen – eine Zeit, in der wir selbstverständlich außerdem ein großes Repertoire an Solokonzerten, und weitere Kammermusikliteratur aus unterschiedlichen Epochen erarbeitet und in Konzerten aufgeführt haben. Die über Jahre erworbenen Erfahrungen mit den Vivaldi Konzerten op.3 konnten wir schließlich bündeln und nach einem intensiven Probenwochenende im November 2017 als Gesamtprojekt aufführen.
Ich möchte Ihnen nun die Konzerte mit einigen Videobeispielen vorstellen. Die Live- Aufnahme des Konzertes wurde mit einem Camcorder ohne zusätzliche Mikrofone gemacht. Durch die Aufnahmeautomatik der Kamera wurden dynamische Abstufungen in der Interpretation leider etwas nivelliert.



op.3 Nr.1 D-Dur für 4 Soloviolinen und Solocello
Allegro - Largo e spiccato – Allegro

Videobeispiel: op.3/1   1. Satz

Der 1. Satz beginnt mit einem Solo der 1. und 2. Solovioline, danach folgt ein Cellosolo mit Tuttibegleitung und anschließend setzen 3. und 4. Solovioline ebenfalls paarweise ein.
Die Partitur ist in 8 Stimmen angelegt, das
9. System ist in dieser Ausgabe die Aussetzung des Generalbasses für heutige Cembalisten - in Vivaldis Ausgabe gab es für das Cembalo nur die bezifferte Bassstimme. Die beiden Violastimmen sind in diesem Konzert identisch.

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Videobeispiel: op.3/1   2. Satz

Der 2. Satz (in h-Moll) beginnt mit einem Ritornell, unisono mit einer absteigend chromatischen Linie - intonationsmäßig eine echte Herausforderung für ein Schülerensemble.

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Videobeispiel: op.3/1   3. Satz

Im 3. Satz gibt es eine Besonderheit in der Notation: nur die Violinstimmen sind im 9/8 Takt notiert, Viola- und Cellostimme dagegen im 3/4 Takt - wodurch sie eine gewisse rhythmische Unabhängigkeit erhalten. Nur im vorletzten Takt steigen Bratschen und Celli in den Unisono-Abschluss im 9/8 Takt ein.

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Op.3 Nr.2 g-Moll für 2 Soloviolinen und Solocello
Adagio - Allegro – Larghetto – Allegro

Das Konzert Nr.2 in g-Moll ist 4-sätzig. Mit der Satzfolge langsam–schnell–langsam–schnell steht es in der Tradition kirchlich geprägter Sonaten. Nur drei Konzerte des Zyklus sind 4-sätzig, die übrigen 9 Konzerte des op.3 sind 3-sätzig, so wie auch die späteren Violinkonzerte Vivaldis.
Videobeispiel: op.3/2   1. Satz

1. Satz
Das Konzert beginnt mit einem kraftvollen, feierlichen langsamen Satz. Vivaldi verwendet hier die alte Vorzeichenangabe für g-Moll mit nur einem - in allen anderen der op.3 Konzerte benutzt er die neue Signatur. In den Konzerten für 2 Soloviolinen entsprechen die 3. und 4. Violine der 1. und 2. Violine Tutti.

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Videobeispiel: op.3/2   4. Satz

4. Satz
Sehr schön zu musizieren sind der 2. und 3. Satz. Im abschließenden 4. Satz im 12/8 Takt (einer Gigue ähnlich) zeigt Vivaldi eine Vorliebe für große Sprünge im Ritornell und er spannt den Bogen der Melodie sehr weit, indem er Auflösungen so lange wie möglich vermeidet.

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Op.3 Nr.3 G-Dur für 1 Solovioline
Allegro - Largo – Allegro

Videobeispiel: op.3/3   1. Satz

Dieses Konzert ist vom spieltechnischen Anspruch her vor allem im 1.Satz leichter als die übrigen Konzerte im op.3 und bietet auch jüngeren Mitspielern die Gelegenheit, bei dem Zyklus solistisch mitzuwirken.

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In den vier Konzerten für eine Solovioline notiert Vivaldi grundsätzlich Violine 1 als Solovioline sowie Violine 3 als Violine 1(tutti). Violine 2+4 sind gleichlautend Violine 2(tutti). Diese Notation gilt ebenfalls für die 3 anderen Solokonzerte im Op.3. Vivaldi erreicht mit seiner Aufteilung, dass er mit nur 8 Streichern und Cembalo (bzw. Orgel oder Laute als Generalbassinstrument) bei Solokonzerten eine volle Tutti- Orchesterbesetzung zur Verfügung hat. Die beiden Bratschenstimmen sind in diesem Konzert an einigen Stellen im 1. und im 3. Satz geteilt. J.S. Bach hat dieses Konzert für Cembalo solo transkribiert.






Op.3 Nr.4 e-Moll für 4 Soloviolinen
Andante - Allegro assai - Adagio – Allegro

Videobeispiel: op.3/4   1. Satz

Das Konzert steht mit der Satzfolge langsam-schnell-langsam-schnell wiederum in der Tradition der kirchlich geprägten Konzerte. Der 1.Satz beginnt würdevoll, einer französischen Ouverture ähnlich, aber schon kurz darauf beginnen die 4 Soloviolinen nacheinander mit einem eher lyrischen Aufgang über lang ausgehaltenen Noten voller harmonischer Spannung. In allen 4 Sätzen sind die Soli gleichmäßig verteilt, die 4 Violinen setzen entweder in genauer Abwechslung einzeln oder paarweise nacheinander ein.

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Op.3 Nr.5 A-Dur für 2 Soloviolinen und Solocello
Allegro – Largo – Allegro

Videobeispiel: op.3/5   1. Satz

Das Konzert Nr.5 in A-Dur ist wohl zu Vivaldis Zeit eines seiner bekanntesten Konzerte gewesen, denn es ist auch in vielen Kopien und Arrangements erhalten.

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Videobeispiel: op.3/5   2. Satz

Der 2. Satz – Largo cantabile – ist ein wunderschönes Solo für die 1.Violine, begleitet nur von den übrigen Violinen im unisono und den Bratschen. Im 3. Satz wechseln sich wieder beide Soloviolinen ab.

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Op.3 Nr.6 a-Moll für 1 Solovioline
Allegro - Largo – Presto

Videobeispiel: op.3/6   1. Satz

Der 1.Satz des Konzertes Nr.6 in a-Moll ist inzwischen leider etwas ‘abgespielt’.

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Videobeispiel: op.3/6   2. Satz

Wunderschön, von Vivaldi mit dem Zusatz ‘cantabile’ versehen, ist aber der langsame Mittelsatz, der nur von 3 Violinen und den Bratschen begleitet wird. (Hier eine Aufnahme eines Konzertes im Dezember 2015, also 2 Jahre früher, mit der gleichen Schülerin)

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Op.3 Nr.7 F-Dur für 4 Soloviolinen und Solocello
Andante - Adagio - Allegro - Adagio – Allegro

Videobeispiel: op.3/7   1. Satz

Das Konzert ist eigentlich 4sätzig, denn das 2. Adagio besteht nur aus 5 überleitenden Takten zum letzten Satz. Thematisch sind die einzelnen Sätze dieses Konzertes dicht verwoben, weil die aufsteigende Linie vom Beginn des 1. Satzes in den Hauptthemen der folgenden Sätze wiederkehrt.

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Op.3 Nr.8 a-Moll für 2 Soloviolinen
Allegro – Larghetto e spiritoso – Allegro

Videobeispiel: op.3/8   1. Satz

Das Konzert op.3 Nr.8 in a-Moll war schon im 18. Jahrhundert sehr populär und wurde ebenfalls bekannt dadurch, dass Bach es für Orgel solo transkribiert hat. Der 1. Satz wird mit einem kraftvollen Dreierschlag eröffnet, der wie eine Kadenz am Anfang steht.

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Videobeispiel: op.3/8   2. Satz

Der 2. Satz – Larghetto e spiritoso (langsam und beseelt) – beginnt mit einem unisono Ritornell, das wie ein Ostinato, allerdings mit einigen harmonischen Abweichungen, durch den ganzen Satz zur Begleitung unter den Solostimmen liegt.

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Videobeispiel: op.3/8   3. Satz

In diesem Konzert verwendet Vivaldi vier Hauptmöglichkeiten, zwei gleichwertige Soloinstrumente zu behandeln. Das sind 1. der Dialog – ein Instrument antwortet dem anderen, 2. imitierendes Spiel und 3. Parallelbewegungen in Terzen oder Sexten. Eine 4. Form des Zusammenspiels ist Vivaldis Erfindung und er verwendet sie hier zum ersten Mal: Einer der Solisten spielt eine lyrische Linie während der Andere eine schnelle, arpeggienartige Begleitung spielt. Ebenso neu ist auch die synkopierte Bindung, die auf der unbetonten Zählzeit beginnt.

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Op.3 Nr.9 D-Dur für 1 Solovioline
Allegro - Larghetto – Allegro

Videobeispiel: op.3/9   1. Satz

Das Konzert Nr.9 in D-Dur für eine Solovioline ist eher unbekannt – aber durchaus lohnenswert zu spielen! Auch dieses Konzert hat Bach für Cembalo solo bearbeitet.

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Videobeispiel: op.3/9   2. Satz (ab Takt 7)

Wunderschön auch hier der 2. Satz (Larghetto). Die Solostellen werden wieder nur von den Geigen und Bratschen begleitet.

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Videobeispiel: op.3/9   3. Satz (ab Takt 69)

Hier der Abschluss des 3. Satzes:

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Die letzte Gruppe des Zyklus L’Estro armonico – nämlich die Konzerte op.3 Nr. 10, 11 und 12 haben wir im Konzert in veränderter Reihenfolge gespielt. Ich fand es dramaturgisch besser, das Konzert mit dem op.3 Nr.10 in h-Moll für vier Soloviolinen zu beenden, weil dieses Werk der Höhepunkt des ganzen Zyklus ist.

Op.3 Nr.11 d-Moll für 2 Soloviolinen und Solocello
Allegro-Adagio-Allegro – Largo e spiccato – Allegro

Videobeispiel: op.3/11   1. Satz

Der 1. Satz in seiner Dreiteiligkeit (Allegro-Adagio-Allegro) ist im Stil völlig untypisch und stellt etwas ganz Neues dar. Er beginnt mit dem großen Eröffnungskanon der zwei Soloviolinen, lässt das Cello mit einem großen Solo beginnen und leitet dann mit einem dreitaktigen Adagio im Tutti über zum eigentlichen ersten Satz.
Dieser ist als Fuge angelegt, beginnt mit der tiefsten Stimme, dem Celloeinsatz und führt das viertaktige Thema linear über den Einsatz von Viola und Violine 2 bis zum Einsatz von
Violine 1.

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Videobeispiel: op.3/11   2. Satz

Im 2. Satz spielt nur die 1. Violine solo – 2. Violine und Solocello bleiben ganz im Tutti. Das Violinsolo im Mittelteil wird wieder nur von den hohen Streichern begleitet.

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Videobeispiel: op.3/11   3. Satz

Im 3. Satz kommen wieder alle drei Soloinstrumente zum Einsatz.

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Op.3 Nr.12 E-Dur für 1 Solovioline
Allegro - Largo – Allegro

Videobeispiel: op.3/12   1. Satz

Das Konzert Nr.12 in E-Dur ist das anspruchvollste der 4 Konzerte für eine Solovioline. Wie auch schon im
a-Moll Konzert op.3 Nr.6 werden hier im 1. Satz 1. und 2. Tuttivioline zusammengefasst. Dadurch ergibt sich durchgehend für die Tuttistellen ein dreistimmiger Satz. Die Solopassagen werden hier nur vom Continuo begleitet.

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Videobeispiel: op.3/12   2. Satz

Der 2. Satz, Largo, beginnt mit einem 6-taktigen Ritornell, in dem die einzelnen Stimmen (ähnlich einer Fuge) nacheinander einsetzen, Tutti Violine 1 und 2 wieder getrennt. Im anschließenden Soloteil benutzt Vivaldi die ersten 5 Töne dieses fugenähnlichen Themas, gespielt von den Celli, als Bindeglied zwischen den einzelnen Phrasen der Solovioline, die nur von den hohen Streichern begleitet wird.

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Videobeispiel: op.3/12   3. Satz

Auch im 3. Satz werden die Solostellen zunächst nur von den hohen Streichern begleitet, bis in den letzten 20 Takten das volle Orchester zum Ende stürmt.
Dieses Konzert hat J.S. Bach für Solo Cembalo transkribiert.



Op.3 Nr.10 h-Moll für 4 Soloviolinen
Allegro - Largo-Larghetto-Largo - Allegro

Videobeispiel: op.3/10   1. Satz

Das Konzert Nr.10 in h-Moll ist der Höhepunkt des ganzen Zyklus! Die vier Soloviolinen sind eng miteinander verwoben und oft gleichberechtigt. Allerdings ist schon auch hier - wie in den anderen Konzerten für mehrere Soloviolinen - die 1. Solovioline dominant: Der oder die KonzertmeisterIn als LeiterIn der ganzen Gruppe hat immer eine besondere Stellung und auch die meisten Soli. Die beiden Bratschen, mit getrennten Stimmen und das Cello sind ebenfalls solistisch eingebunden. Alle Tuttiteile sind siebenstimmig konzipiert.

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Videobeispiel: op.3/10   2. Satz

Der 2. Satz ist dreiteilig; der Mittelteil, Larghetto, wird eingerahmt von 2 kurzen, langsameren Teilen. Im Mittelteil spielen die vier Sologeigen unterschiedliche Varianten von Arpeggien, Cello und Bratschen begleiten mit durchgehenden Achteln. Über diesem gleichbleibenden Puls entsteht ein flimmernder Klang ohne eigentliche Melodie - aber voller Spannung durch die Harmoniewechsel.

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Videobeispiel: op.3/10   3. Satz

Und zum Abschluss der 3. Satz des Konzertes op.3 Nr.10 mit seinen virtuosen Ideen, der wunderbaren Verschachtelung und Abwechslung der Soloinstrumente – voller Spannung und unbändiger Spielfreude! Im letzten Solo der ersten Violine zitiert Vivaldi sich übrigens selbst mit drei Takten, die sehr ähnlich im 3. Satz des G-Dur Konzertes op.3 Nr.3 erklingen.

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Wie schon erwähnt, hat J.S. Bach dieses Konzert für 4 Cembali und Streichorchester transkribiert. Man kann sich auch gut vorstellen, dass Vivaldis Konzert op.3 Nr.10 in seiner Vielstimmigkeit vorbildhaft hin zu Bachs 3. Brandenburgischen Konzert gewirkt hat, das 10 Jahre später, nämlich 1721, komponiert wurde.

Die 12 Konzerte op.3 sind vermutlich in den Jahren 1703 bis 1710 entstanden, nämlich mit dem Beginn von Vivaldis Tätigkeit als ‘Maestro di Violino’ bis hin zum Erscheinungsjahr 1711. Es waren Auftragswerke, die Vivaldi gemäß den Bedingungen seiner Anstellung zu erbringen hatte. Vivaldi musste sich auch Gedanken darüber machen, wie er es erreichen könnte, die Mädchen so auszubilden, dass ihre instrumentaltechnischen Fähigkeiten möglichst bald ausreichten, um in Konzerten mitspielen zu können.
Er selbst hatte sich das Geigenspiel von seinem Vater abgeguckt und war mit ihm in das Orchester der Kirche San Marco gegangen. Ich stelle mir vor, dass er den Unterricht der Mädchen ähnlich gestaltete – nämlich ‘learning by doing’.
Pädagogische Unterrichtswerke gab es zu Vivaldis Zeit wohl nicht – die Violinschulen von Francesco Geminiani und Leopold Mozart erschienen erst 1751 bzw. 1756, also lange nach Vivaldis Tod. Er brauchte also Werke, in denen die Mädchen (unterschiedlichen Alters und verschiedenster Ausbildungsstufen) ihr Instrumentalspiel verbessern und die Grundprinzipien des musikalischen Zusammenspiels erlernen konnten, um die Werke dann, zunächst unter seiner Leitung, zur Aufführung bringen zu können.
Für Vivaldis Schülerinnen waren die Konzerte op.3 also auch Lehrwerke: in schnellen Sätzen konnten sie die Geläufigkeit der linken Hand, eine gute Bogentechnik sowie rhythmische Sicherheit erarbeiten. In den langsamen Sätzen, oft mit dem Zusatz ‘cantabile’ versehen, konnten sie ihre Ausdrucksfähigkeit weiter entwickeln. Durch die Verwendung vieler unterschiedlicher Tonarten wurden ihr harmonisches Verständnis und die Intonationssicherheit gefördert.
Die 12 Konzerte op.3 ‘L’Estro Armonico’ sind also nicht nur eine ‘harmonische Eingebung’, sondern gleichermaßen eine ‘instrumental-pädagogische Eingebung’, geschrieben für junge Streicherinnen – und sie passen mit ihren Anforderungen auch heute noch zu den jugendlichen Instrumentalisten der Mittel- und Oberstufe, die wir an den Musikschulen unterrichten. Deshalb kann ich dieses Projekt Ihnen allen sehr empfehlen – es bewirkt große Fortschritte und macht viel Spaß!

Die Aufnahme des gesamten Konzertes vom
12. November 2017 ist über den folgenden Link abrufbar:

Bitte hier klicken

Weitere Konzerte (von 2018 bis 2021) sind über den Link www.gemeinsam-von-anfang-an.de/junge-streicher abrufbar.


Literatur:
   
Karl Heller, Antonio Vivaldi
Reclam Leipzig 1991
Christopher Hogwood / www.hoasm.org
Vivaldi: L’Estro Armonico, op.3
   
Archivum Musicum Vivaldiana (6)
Musiche di Antonio Vivaldi in facsimile
Studio per Edizioni Scelte, Firenze 2015
Wikipedia, Antonio Vivaldi / L’Estro Armonico